Guggenheimmuseum

Vor dem Guggenheim-Museum

Bilbao und Bizkaia - eine Reise von Deutschland ins Baskenland

In dicke Nebenwolken eingehüllt liegt die Stadt am Ufer des Rio Nervión, der nur wenige Kilometer entfernt in den Atlantik mündet. Von der Nähe des Meeres ist in Bilbao auf den ersten Blick wenig zu sehen. Der Blick fällt auf grüne Bergkuppen, die hinter den Häusern mehrere hundert Meter in die Höhe ragen. „El bocho“ (Kessel) nennen die Einwohner das Stadtgebiet. Böse Zungen übersetzen den Ausdruck aber auch gerne mit „das Loch“, was auf Bilbaos industrielle Vergangenheit anspielt. Rund 350.000 Einwohner zählt Bilbao im Stadtgebiet. Mit den Außenbezirken sogar 900.000.
So breitet sich bei der Anfahrt ein Meer aus roten Ziegeldächern vor uns aus. Zu unserer Rechten taucht eine bekannte Fassade auf, die das Stadtbild seit 1997 wesentlich prägt: das Guggenheim-Museum. Doch zunächst bleibt es beim Blick aus der Ferne. Über kurvige Straßen, die uns zum Fluss Nervión führen, fahren wir in die Altstadt. An der Plaza San Nicolas, an dem die gleichnamige Fischerkirche San Nicolas De Bari steht, steigen wir aus. Hier sehen wir einige restaurierte Fischerhäuser, die über für die Region typischen, verglasten Balkone verfügen.

 

Pintxos an der Plaza Nueva

Es ist Mittagszeit und wir haben Hunger. Daher machen wir uns direkt auf den Weg zu einer Pintxo-Bar. Seit Bilbao nicht mehr so stark von der Schwerindustrie geprägt ist, lockt die Stadt mit Architektur, Kultur und der berühmten baskischen Küche. An der Plaza Nueva, die Ende des 18. Jahrhunderts angelegt wurde, gibt es viele gute Lokale. In den Sommermonaten stehen auf der ganzen Plaza Nueva Tische und Stühle. Bis es soweit ist, bleibt der Platz jungen Kickern vorbehalten.
Wir setzen uns in die Bar Casa Pedro. An der Theke bietet sich uns direkt eine Auswahl an leckeren Pintxos (Pintschos gesprochen). Pintxos sind die baskische Form der spanischen Tapas. Auf einem Stück Baguette türmen sich die unterschiedlichsten Zutaten, die von einem Zahnstocher zusammengehalten werden. Daher rührt der Name Pintxo, der sich mit „Spieß“ übersetzen lässt.
Bahnhof

Der Bahnhof


Wir probieren Pintxos mit Pilzen, kleinen Tintenfischen, Paprika, Käse, Fleisch, Schinken und zum Nachtisch mit Frischkäse, Nussstücken und Preiselbeere – eine besonders leckere Pintxos-Spezialität der Casa Pedro.

Danach machen wir einen Spaziergang durch die Altstadt, durch die auch ein Teil des Jakobsweges (Camino de Santiago) führt. Der Altstadt-Komplex ist auch als Siete Calles (sieben Straßen) bekannt, da hier sieben Straßen direkt zum Ufer des Nervión führen. Überall in der Altstadt sieht man die typischen verglasten Balkone. Im Erdgeschoss befinden sich allerlei kleine Geschäfte, verlockende Schilder mit dem Aufdruck „Rebajas“ (Schlussverkauf) im Fenster. Doch unser Shopping-Fieber wird direkt gebremst: Es ist Siesta.

 



So bleibt uns Zeit, die Sehenswürdigkeiten Bilbaos zu entdecken. Wir passieren die Catedral de Santiago, die ein wichtiger Anlaufpunkt für Pilger ist. Die imposante Markthalle Mercado de Ribera am Nervión-Ufer, die als die größte überdachte Markthalle Europas gilt, versteckt sich leider hinter Bauplanen. Wir setzen unseren Rundgang fort und entdecken jede Menge kleiner Bars, in denen man Pintxos in allen Variationen bekommt. Doch das Wetter wird immer schwüler und kurz darauf beginnt es zu regnen. In einer Halle suchen wir Unterschlupf. Es ist allerdings keine gewöhnlich Halle, sondern eine Sporthalle für Jai Alai. Bei dem traditionell baskischen Ballspiel schlagen sich die Sportler mithilfe von Korbschlägern den Ball mit bis zu 300 Stundenkilometern um die Ohren.
Altstadt

In der Altstadt



Wegen des Regenschauers beenden wir unsere Altstadttour und fahren ins Hotel. Nachdem wir uns frisch gemacht haben, geht es in die Bar, wo erneut leckere Pintxos sowie exzellente Weine auf uns warten. Mit vollem Bauch mache ich mich auf zu einem Spaziergang Richtung Guggenheim-Museum. Der Regen hat aufgehört, aber es ist immer noch sehr schwül. Ich überquere die Zubi Zuri Brücke des valencianischen Architekten Santiago Calatrava, die an ein aufgeblähtes Segel erinnert. Nach zehn Minuten erreiche ich das Guggenheim Museum. Als allersterstes springt mir Jeff Koons‘ „Puppy“ ins Auge, eine riesige Hundefigur, die mit echten Blumen bestückt ist und wie ein Haushund das Museum bewacht.
Ich spaziere zur Puente de la Salve und schreite unter dem roten Bogen des französischen Künstlers Daniel Buren hindurch, den in der Dunkelheit ein schwarz-weißes Lichtmuster ziert. Von hier oben habe ich eine gute Aussicht auf das Guggenheim-Museum und mache ein paar Fotos. Gut, dass in diesem Moment auch die Sonne durch die Wolkendecke blinzelt. Aber jetzt muss ich mich beeilen, um rechtzeitig zur Casa Rufo zu kommen, wo wir uns zum Abendessen verabredet haben.
Bilbao bei Nacht

Bilbao bei Nacht

Casa Rufo: die spanische Version von Tante Emma

Schon beim Betreten sind wir beeindruckt. Das Ambiente ist einfach, aber einmalig. Inmitten eines spanischen Tante-Emma-Ladens, der bis oben hin mit Spezialitäten gefüllt ist, wurde für uns ein großer Tisch aufgebaut. Vor dem Regal mit Linsen, Erbsen, Nüssen & Co. nehme ich Platz und freue mich auf das Essen. Passend zum Ambiente gibt es typisch baskische Spezialitäten. Als Tapas reicht man uns Eierkroketten, gebratene Paprikaschoten und einen Tomaten-Thunfisch-Salat, der zwar schlicht aussieht aber dank der frischen Zutaten unvergleichlich gut schmeckt.
Bevor es mit dem Hauptgang weitergeht, schaue ich mir den Rest der Casa Rufo an. Das Haus wurde 1895 gebaut. Seit 1955 gibt es das Geschäft, das José Luis Perez und seine Frau Cristina von Josés Vater übernommen haben und vor fünfzehn Jahren um das Restaurant erweitert haben.
Am-Guggenheimmuseum

Am Guggenheimmuseum

Im hinteren Teil befinden sich in gemütlichen Nischen weitere Tische und die offene Küche, die mit einer geschätzten Größe von zehn Quadratmeter gut in jede Studentenbude passen würde. Hier ist das Reich von Küchenchef Miguel, der mir die riesigen Koteletts zeigt, die er für uns auf dem Grill zubereitet.
Das Rindfleisch wird in einem großen Stück auf einem heißen Keramikteller gereicht. Wer es nicht so blutig mag, kann es noch auf dem heißen Teller garen lassen. Die Portion ist mächtig, aber unschlagbar lecker. Doch damit ist das Verwöhnprogramm noch nicht zu Ende. Als Nachtisch gibt es typisch baskisches Gebäck: Tejas y cigarillos (Ziegel und Zigarren) und Trüffelpralinen – einfach lecker.

Gernika

Am zweiten Tag starten wir von Bilbao ins 40 Minuten entfernte Gernika.
Tapas

Tapas


Die heilige Stadt der Basken, die am 26. April 1937 von der deutschen Fliegerstaffel „Legion Condor“ mit Erlaubnis Francos dem Erdboden gleich gemacht wurde, hat auf den ersten Blick nur wenig zu bieten. Fast alle Gebäude der Markstadt stammen aus den 40ern oder der Nachkriegszeit und sind dementsprechend glanzlos. Auch der Paprikaschoten-Landmarkt, der auf einem überdachten Platz neben der Markthalle stattfindet, überzeugt nicht. Zwar kann man hier frische Produkte aus der Region erstehen, doch nur ein Stand serviert die kleinen grünen Schoten, die gebraten und gesalzen verzehrt werden. Da wir diese Spezialität schon in der Casa Rufo probiert haben, ziehen wir weiter zur Casa de Juntas. Neben dem Versammlungshaus, in dem auch heute noch Vertreter der Provinz Biskaia regelmäßig tagen, steht der Stumpf der Eiche, unter der die kastilischen und später spanischen Könige gelobten die Sonderrechte der Basken zu wahren.
Bilbao-im-Dunst

Bilbao im Dunst


Mundaka

Uns überzeugt die heilige Stadt der Basken leider nicht. Daher beschließen wir, zum Meer zu fahren. Bei Mundaka mündet der Rio Oka in den Atlantik, was man kurz vor der Ortschaft wunderbar sehen kann. Mundaka ist ein pittoresker Fischerort, der sich bei Profi-Surfern aus aller Welt großer Beliebtheit erfreut. Das Besondere ist, dass die Welle hier nach links fällt. Allerdings fällt das Phänomen nach einer Sandabtragung durch eine Schiffswerft vor einigen Jahren nicht mehr so stark aus wie früher. Auch für Nicht-Surfer lohnt sich der Besuch Mundakas.
Es gibt einen kleinen Strand, viele Cafés, Restaurants und Pensionen, einen hübschen Hafen und eine hübsche kleine Kirche. Während genießen einen spritzigen Txakuli und sehen zu, wie die Dorfbewohner in ihrer alten Fischertracht, Flöte spielend zum Hauptplatz ziehen – hier ist die Welt noch in Ordnung.


Torre Arteaga

Zum Mittagessen fahren wir nach Gautegiz-Arteaga im Udaibai-Naturschutzgebiet. Schon aus der Entfernung können wir das Hotel-Restaurant Castillo Arteaga sehen, das sich in einem viereckigen neugotischen Turm aus dem 13. Jahrhundert befindet. Der graue Steinturm hebt sich deutlich von der grünen Umgebung ab. Wir inspizieren eines der schönen Familienzimmer und die Dachterrasse, von der man einen wunderbaren Blick auf die Umgebung hat, die sich leider wieder in dichten Nebel hüllt. So schreiten wir weiter in den Speisesaal, ein altes Kaminzimmer, in dem wir uns einen Scampi-Salat und Seehecht schmecken lassen.

Zauberwald von Oma

Danach geht es für einen Teil unserer Gruppe weiter ins Urdaibai-Gebiet zum Zauberwald von Oma. Hier hat der Künstler Augustín Ibarrola 1984 mit viel Kreativität und bunter Farbe eine Bildergalerie inmitten der Natur geschaffen. Beim Wandern kann man sehen wie aus einzelnen bemalten Pinien je nach Blickwinkel richtige Bilder entstehen. Je nachdem, welche Wege man einschlägt, kann man immer wieder neue Bilder entdecken. Diese zauberhaften Landschaftsbilder machen den Pinienwald von Oma zu einem beliebten Ausflugsziel.
Ruderer

Ruderer auf dem Nervión


Shopping auf der Gran Vía

Dem Nachmittag schließe ich einen kurzen Bummel über die Einkaufsstraße Gran Vía de Don Diego López de Haro an. Ein Feinkostgeschäft oder einen Supermarkt, in dem man baskische Spezialitäten kaufen kann finde ich jedoch nicht und Casa Rufo ist leider noch nicht geöffnet. Dafür entdecke ich, dass auch abseits der großen Einkaufsstraße, in den Seitenstraßen schöne Cafés, Geschäfte und Parks sind. Man sollte sich also ein paar Stunden Zeit nehmen, um Bilbaos Zentrum zu erkunden.

Alhóndiga Bilbao – Kino statt Vino

Zum Abendessen geht es ins Restaurant Yandiola. Das Yandiola befindet sich in der erst kürzlich wieder eröffneten Alhóndiga de Bilbao. Das Weinfasslager entstand zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach seiner Nutzung verfiel es und feierte erst am 18. Mai nach aufwändiger Restaurierung – nur die Fassade blieb bestehen – seine Wiedereröffnung. Den neuen Look erhielt es vom französischen Designer Philippe Starck. Im Inneren befinden sich nun drei Gebäudetrakte, die sich unterschiedlichen Schwerpunkten wie Sport, Medien und Kultur widmen sowie ein Kino, drei Restaurants und Büros.
Blick-auf-Bilbao

Blick auf Bilbao


Guggenheim-Museum in Blutrot

Am Sonntag widmen wir uns dem berühmtesten Bauwerk Bilabaos: dem Guggenheim-Museum. Der Gehry-Bau wurde 1997 fertiggestellt und beherbergt auf 11.000 Quadratmetern eine feste Ausstellung (im Erdgeschoss) sowie wechselnde Ausstellungen in den beiden oberen Stockwerken. Wir haben das Glück Werke von Henri Rosseau zu sehen. Am beeindruckendsten ist jedoch die Ausstellung des indischen Bildhauers Anish Kapoor, einem wahren Illusionskünstler. Ein besonderes Highlight ist das Performance-Werk „Shooting in the Corner“.
Bereits beim Betreten des großen Saals werden Erinnerungen an ein Blutbad wach. Eine Ecke des ansonsten sterilweißen Saals ist von blutroten Farbstücken bedeckt, dunkelrote Flecken zieren die Wand. Wir kommen gerade rechtzeitig um mitzuerleben, wie ein Mann im Arbeitsanzug die riesige Farbkanone auflädt. Dann verharrt er seelenruhig, nur um innerhalb von Sekundenbruchteilen den Hebel zu betätigen und abrupt eine neue Farbbombe in die Ecke zu feuern. Während einige der Zuschauer noch den Schreck verarbeiten, bleibt der junge Mann ganz cool, was uns noch mehr das Gefühl vermittelt, in einem Psycho-Film gelandet zu sein.
Diese spektakuläre Performance bildet den krönenden Abschluss unserer Reise nach Bilbao, das uns leider auch zum Abschied die graue Schulter zeigt.